Stell dir vor, du stehst auf einem Hochseil, auf der einen Seite die Rolle als liebevolles Elternteil, auf der anderen Seite die Rolle als liebevolle Partnerin. Wie hältst du das Gleichgewicht zwischen der Patchworkfamilie und der Paarzeit?
In diesem Artikel teile ich meine persönlichen Erfahrungen und gebe dir Tipps, wie du in deinem Patchworkalltag Raum für dich und deine Beziehung schaffen kannst.
In den Herbstferien hatten wir wieder die Kinder meines Partners bei uns. Und je nachdem wie lange sie bei uns sind, fehlt mir dann manchmal die Zweisamkeit mit meinem Partner. Die Zeit als Liebespaar fällt dann meist flach und die Kinder stehen im Vordergrund. Und das ist für mich auch in Ordnung so. Wir leben ja in so einer besonderen Situation, dass wir die Kinder nur in den Ferien bei uns haben – die meiste Zeit über sind wir also zu zweit und dann darf sich auch mal der Fokus verschieben.
Anders war es im Sommer – da hatten wir die Kinder in 5 von insgesamt 8 Ferienwochen (in Frankreich, wo die Mädchen wohnen, gibt es 8 Wochen Sommerferien) – da war es mit der fehlender Paarzeit schon schwierig.
Was ist Paarzeit eigentlich?
Natürlich verbringen wir die meiste Zeit miteinander, auch wenn die Kinder da sind: Wir stehen auf, frühstücken, unternehmen Ausflüge, erledigen den Haushalt, spielen, schlafen zusammen ein. Aber in diesem Alltag mit Kindern fungieren wir als Elternteile. Die Rolle als Partner_in fällt da oft hinten runter.
Um uns in unserer Beziehung gesehen zu fühlen, ist Paarzeit unglaublich wichtig. Damit man eben noch mehr ist als Elternteil und man sich in der Beziehung auch als Frau/Mann wahrgenommen fühlt.
Wenn dafür wenig Zeit und Raum ist, fühlt es sich für mich persönlich dann so an, als ob die Verbindung zwischen mir und meinem Partner etwas dünner wird – so wie ein Seil, was sich ein wenig auflöst.
Ich merke das daran, dass wir uns wenig tiefgründig unterhalten und es wenig Momente gibt, in denen wir uns ganz bewusst Zeit für uns als Paar nehmen. Und ganz ehrlich, manchmal bin ich auch einfach zu müde, um noch an meiner Beziehung zu arbeiten, wenn die Kinder im Bett sind.
Herausforderungen im Patchworkalltag
In der bunten, oft chaotischen Welt des Patchworkalltags, wo sich das Leben um Hausaufgaben, Wäschestapel und Kinderaktivitäten dreht, kann es eine echte Herausforderung sein, als Paar einen Moment für sich zu finden. Es ist ein ständiger Balanceakt zwischen den Bedürfnissen der Kinder, den Anforderungen des Alltags und der Pflege der eigenen Beziehung.
Manchmal fühlt es sich an, als ob die Rolle des Elternteils die Rolle des Partners vollständig übernimmt. Die Erschöpfung des Tages kann dazu führen, dass tiefgreifende Gespräche und intime Momente auf der Strecke bleiben.
Darüber hinaus kann das Schuldgefühl, wenn man Zeit für sich selbst beansprucht, in einer Umgebung, in der die Kinder immer Priorität haben, überwältigend sein. Es erfordert eine bewusste Anstrengung, diese Hürden zu überwinden und sich als Paar kontinuierlich Zeit und Raum zu schaffen.
„Das Beste für Kinder sind Eltern, die glücklich miteinander sind“
Jesper Juul
Doch wie kann das gelingen?
5 Ideen für mehr Paarzeit
Nicht immer muss es das Wellness-Wochenende oder der Konzertbesuch sein. Es gibt ja auch kleine Wege und Mittel, die Paaren dabei helfen können, sich nah zu sein, auch wenn die Kinder anwesend sind. Denn das Wichtige ist ja in diesem kunterbunten Packwerksystem, dass es Raum und Zeit für viele Bedürfnisse und Gefühle braucht – auch für die eines Paares.
Und ich habe dir jetzt mal 5 Dinge aufgelistet, was wir alles schon probiert und als hilfreich empfunden haben. Also, lass uns mal hineinschauen:
1. Mit den Kindern eine Schnitzeljagd machen:
Man gibt den Kindern eine Liste (bei jüngeren Kindern eignen sich auch Bilder), die sie auf einem Spaziergang suchen sollen: herumliegendes Papier, einen Marienkäfer, etwas Rundes, etwas Rotes, etwas Schweres… Die Kinder sind beschäftigt und als Paar hat man mal ein paar Minuten, um Händchenhaltend durch den Wald zu spazieren – eine herrliche Auszeit!
2. Gemeinsam Kochen:
Während die Kinder etwas lesen oder in ein Puzzle vertieft sind, könnt ihr miteinander kochen. Ein Glas Wein nebenbei, gemeinsames Gemüseschnippeln und sich über den Tag austauschen – und danach kommen alle am Esstisch wieder zusammen. Eine kurze Zeit, die Gold wert ist.
3. Einen Familienfilm suchen:
Auch ein gemeinsamer Filmabend kann schön sein: Wenn es nicht immer diese Animationsfilme wären… Wir haben mittlerweile auch Filme wie „Das Streben nach Glück“ oder „Forrest Gump“ mit den Kindern geschaut. Uns Erwachsene lässt es in Erinnerungen schwelgen und man kann mit den Kindern danach auch tolle Unterhaltungen führen und philosophieren.
4. Der Sechs-Sekunden-Kuss:
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass ein Kuss, der länger als sechs Sekunden dauert, Glückshormone freisetzt. Und wie oft gibt man sich im Alltag mal schnell einen Kuss nebenbei. Doch diesen ganz bewusst zu genießen verschafft unglaublich viel Nähe. Das heißt ja nicht, dass ihr euch vor den Kids abschlecken müsst, aber sich bewusst mal diesen Moment zu nehmen und sich zu küssen oder zu umarmen, ist unglaublich wohltuend.
5. Die Tagesreflexion:
Beim Abendessen besprechen wir mittlerweile immer 2 Dinge: „Was war an meinem Tag heute richtig gut?“ und „Was darf morgen besser werden?“. Bei den beiden Fragen haben sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen die Möglichkeit von ihrem Tag zu berichten. Nachfragen dürfen jederzeit gestellt werden – und so haben auch wir als Paar die Möglichkeit uns auszutauschen und beim anderen einzuchecken.
Was es dafür braucht?
In meinen Augen braucht es vor allem die Einsicht, dass wir als Erwachsene ebenso wichtig sind, wie die Kinder. Sich immer aufzuopfern, hinten anzustellen und die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen, bringt auf die Dauer nur Frust. Die Bedürfnisse aller Personen sind wichtig, auch die von uns Erwachsenen.
Und welches Kind würde schon bei den Worten „Du darfst dir jetzt mal eine Folge deiner Lieblingsserie anschauen, wir möchten gerade mal etwas besprechen und einen Kaffee miteinander trinken, ohne gestört zu werden. Danach spielen wir was zusammen, ja?“ schon schmollend davon laufen? 😉
Ich bin der Meinung, dass ein wenig Egoismus allerdings nicht schadet. Denken wir mal an die Situation im Flugzeug: Wir ziehen uns zuerst selbst die Sauerstoffmaske auf, bevor wir anderen helfen.
Ganz einfach aus dem Grund, dass wir, wenn wir uns nicht selbst versorgen, möglicherweise auch niemandem anderen helfen können. Und bei diesem Beispiel leuchtet ein wenig Egoismus ein, oder? Wir können daraus schlussfolgern, dass ein wenig Zeit für uns selbst und unsere Partnerschaft gut ist, um uns dann wieder den Kindern widmen zu können. Auch wenn sie nur am Wochenende da sind!
In a Nutshell
In diesem Artikel geht es um das Ausbalancieren durch das komplexe Terrain des Patchworkfamilien-Alltags und die damit verbundenen Herausforderungen, sich als Paar Zeit zu gönnen.
Das Elterndasein überlagert oft die Partnerschaft und gleichzeitig ist es von wesentlicher Bedeutung, bewusst Raum für die Beziehung zu schaffen.
Verschiedene praktikable Strategien und Ideen zeigen dir, wie du eine bessere Balance zwischen den Rollen als Elternteil und Partner_in finden kannst.
Diese reichen von kreativen Aktivitäten für Kinder, die den Eltern etwas Freiraum verschaffen, bis hin zu bewussten Ritualen der Zweisamkeit.
Die Bedürfnisse der Erwachsenen nicht zu vernachlässigen ist dabei von immenser Bedeutung und ein gewisser Grad an „Egoismus“ ist für das Wohl der gesamten Familie notwendig und gesund.
Was meinst du, wann nimmst du dir das nächste Mal Zeit für dich und eure Partnerschaft?
Mach’s ganz gut,
Deine Sally